Eine neue Kultur

Hi!

Wie vielleicht manche von euch wissen ist meine Hostmum jüdisch. Sie hat osteuropäische Wurzeln. Zwar ist meine Hostfamily nicht super religiös, sondern leben diese Religion eher wie eine Kultur - so wie viele deutsche Familien zwar nicht gläubig sind aber trotzdem Weihnachten und Ostern feiern - aber trotzdem stehen manchmal auch jüdische Feste oder Feiertage an. 

Heute ist Sonntag, der 2. Oktober, 18:03 Uhr und vor ungefähr einer Stunde kam ich aus Massachusetts wieder, denn dort besuchten wir eine Bar Mitzwa. Eine Bar Mitzwa ist vergleichbar mit der Konfirmation im Christentum. Man feiert die Religionsmündigkeit eines Kindes. 

Auf der Fahrt nach MA war ich natürlich sehr aufgeregt. Ich würde viele, viele neue Leute kennenlernen, fast die ganze Familie meiner Gastfamilie. Noch dazu eine komplett neue Kultur bzw. Religion. Natürlich kennt man das Judentum, man beschäftigt sich in der Schule damit und ich wurde oft mit dem Holocaust konfrontiert, da meinen Großeltern schon immer sehr wichtig war, dass ich verstand, was damals alles passierte. Aber an einem Fest dieser Religion hatte ich noch nie teilgenommen, ich wusste nicht, was mich erwartete. Natürlich war ich auch voller Vorfreude. Voller Vorfreude darüber, dass ich noch mehr Menschen dieser Familie kennenlernen darf und darüber, meinen Horizont erweitern und etwas komplett Neues erleben zu können. Ich freute mich riesig darüber, dass ich die Möglichkeit hatte, bei so einer traditionellen Feier dabei sein zu dürfen. Für mich war es nicht selbstverständlich, dass die Familie meiner Gastfamilie mich willkommen hieß, immerhin war ich vollkommen fremd für sie und es handelte sich ja um eine Familienfeier. Ich fühlte mich unglaublich geehrt, dass ich mitkommen durfte.

Die Fahrt dauerte mit ein wenig Stau ca. 4 Stunden aber war sehr entspannt. Die Kids guckten "Ducktales" und ich hörte "Ein ganzes halbes Jahr" als Hörbuch. Ab und zu nickte ich ein und bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, waren wir schon angekommen. Wir übernachteten im Hilton Hotel, worüber ich natürlich super aufgeregt war. Hotels sind sowieso immer aufregend für mich, da sich meine Hotelaufenthalte wahrscheinlich an einer Hand abzählen lassen aber das wird sich in der nächsten Zeit mit Sicherheit ändern. ☺️

Beim Betreten des Hotels stürmten uns schon ganz viele Familienmitglieder mit freudigen Gesichtern entgegen, stellten sich mir alle auf einmal vor, nahmen mich in den Arm, fragten mich viele Fragen. Es war wirklich richtig herzlich und obwohl ich sehr müde und abgespannt war, freute ich mich natürlich riesig über diese positive Erfahrung. "Let's go over to our table and have some beer!". Das verlockende Angebot kam vom Grandpa der Kids, der immer wieder vergaß, dass der Genuss von Alkohol in den USA seit 1984 erst ab 21 erlaubt ist. Über die Einladung habe ich mich trotzdem gefreut!

Nach der Vorstellungsrunde zeigte mir die Schwester von Rachel unser Zimmer, denn wir würden eines teilen. Ich habe sie vorher schon einmal getroffen als sie die Kids besucht hat und sie ist wirklich sehr lieb. Ich war froh, dass sie bereit war, ein Zimmer mit mir zu teilen, denn über den genauen Ablauf des Wochenendes hatte ich irgendwie nicht so wirklich einen Überblick und so konnte ich mich bei Fragen einfach an sie wenden.

Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, denn wir mussten zeitig zum Frühstück um pünktlich bei der Synagoge sein zu können. Jeder brezelte sich also ordentlich auf, sodass uns ungefähr jeder beim Frühstück anstarrte - aber was soll's 😂
Auf dem Weg zur Synagoge war ich sehr gespannt auf das, was mich erwartete. Alle um mich herum wussten, wie so ein Gottesdienst ablaufen würde und mittendrin war ich - total verloren. Ich lief also immer nur meiner Gastfamilie nach wie ein Gänseküken seiner Mutter und stellte mich schön brav allen vor. Dabei beantwortete ich immer die gleichen Fragen, dass ich aus der Nähe von Frankfurt komme und dass es mir bisher sehr gut hier gefällt.

Beim Betreten der Synagoge bekam jeder männliche Gast eine Kippa, Sam war davon nicht sehr begeistert, weil sie ihm viel zu groß war. Allgemein war er an diesem Tag nicht so gut gelaunt, weil er es nicht mag eine Krawatte tragen zu müssen aber er sah unglaublich süß und schick aus!

Der Gottesdienst hat mich sehr stark an Konfirmationen erinnert, mit dem Unterschied, dass man die Religionsmündigkeit von nur einer Person feiert anstatt dass mehrere Kinder konfirmiert werden. Es wurden Lieder gesungen. Zwar waren diese auf hebräisch und ich hab' kein Wort verstanden aber es war trotzdem sehr schön. Die Lieder kamen mir wesentlich schwungvoller vor als die, die ich aus der Kirche kenne und der Sänger, der die Gemeinde mit einer Gitarre begleitete, war richtig witzig und animierte jeden mitzusingen. Von mir konnte er da leider nicht so viel erwarten, denn auch wenn ich versuchte dem Text zu folgen, verlor ich mich immer wieder zwischen den Zeilen. Also hörte ich einfach gespannt zu.
Der Rabbiner hielt außerdem eine Predigt aber auch diese war nicht so einschläfernd wie die Predigen, die ich bisher schon hörte. Das könnte aber auch unter anderem daran gelegen haben, dass es ein jüngerer Rabbiner war, der eine sehr offene und lockere Art zu reden hatte. Außerdem hat S., das Mädchen, das ihre Bar Mitzwa feierte, immer wieder etwas auf hebräisch vorgetragen oder vorgesungen. Es war so interessant diese Sprache zu hören, auch wenn ich natürlich etwas planlos war, da ich nichts verstand. Es wurde aus der Tora vorgelesen, nachdem diese traditionell zu Musik durch die Synagoge getrogen wurde. Dabei durfte jeder, der wollte, sein Exemplar der Tora dagegenhalten, um es zu segnen.

Nach dem Gottesdienst ging es zurück ins Hotel, wo es erstmal Lunch-Time war. Wir saßen mit der ganzen Familie an einem langen Tisch und aufgrund dessen, dass die Familie relativ weit verstreut ist und man sich nur selten sieht wurden viele aufregende Gespräche geführt. Natürlich wurden auch mir viele Fragen gestellt und ich freute mich, dass so großes Interesse an mir bzw. woher ich komme usw. bestand. Es gab mir einfach das Gefühl willkommen zu sein, denn tatsächlich an den Gesprächen teilnehmen zu können ist ja um einiges angenehmer als einfach nur dazusitzen und zuzuhören. So wurden mich auch einige Fragen zur Flüchtlingssituation in Deutschland gestellt und was ich darüber denke. Im Laufe des Gesprächs hat sich immer mehr herauskristallisiert, wie in den US-Amerikanischen Nachrichten einfach kaum etwas über andere Länder geschweige denn Kontinente gezeigt wird. Es gibt einen (sehr) groben Überblick darüber, was so in der Welt passiert aber im Großen und Ganzen wird nur über die Vereinigten Staaten berichtet. Das finde ich wirklich sehr schade und ist meiner Meinung nach einfach ein Unding. Ich konnte meine Gesprächspartner etwas über die Geschehnisse in Deutschland aufklären und war sehr erleichtert, als auch sie sagten, dass sie mit den Nachrichtensendern hier ganz und gar nicht zufrieden sind und sich deshalb durch Lesen über die Geschehnisse auf der Welt versuchten zu informieren. Aber anscheinend denkt hier nicht jeder so.

Abends fand noch eine Party statt, auf die ich aber leider nicht mitkommen durfte - kann man aber natürlich keinem verübeln. Wie schon mehrfach erwähnt bin ich eine Fremde für diesen Teil der Familie und war eigentlich ja gar nicht eingeladen. Es war schon mehr als freundlich, dass ich zum Gottesdienst und zum Brunch am Sonntag willkommen war. Ich machte mir also einen gemütlichen Abend mit Roomservice und Netflix 😅

Auch am nächsten Tag stand wieder früh aufstehen auf der Tagesordnung, denn wir waren bei S. zum Brunch eingeladen. Das war wirklich schön. Es gab viele verschiedene Sachen; Bagels, vieeeel Obst, selbstgemachte Dips, eine "Frühstücks-Nachspeise", Kaffee, Tee, Saft, Salate und so weiter und so fort. Hier hatte ich nochmal die Chance, die Familienmitglieder, mit denen ich mich noch nicht unterhalten konnte, besser kennenzulernen und es ist einfach interessant gewesen zu hören, was jeder zu erzählen hat. 
Da so ein Wochenende für die Kids aber natürlich sehr anstrengen ist, machten wir uns bald schon auf den Heimweg. Diesmal fuhren wir eine etwas andere Strecke und machten so einen Stop in Mystic, Connecticut. Eine wirklich wunderschöne Stadt und ich hoffe sehr, dass ich noch mal die Chance bekomme, sie mir genauer ansehen zu können. Dort hatten wir Lunch in einem typisch amerikanischen Diner, und so konnte ich einen weiteren Punkt auf meiner Bucket List abhaken.

Das Wochenende war sehr schön und ich bin wirklich dankbar, diese wunderbaren Eindrücke gesammelt haben zu dürfen.

Nächstes Wochenende geht es für mich erneut nach New York City und ich freue mich schon so unglaublich darauf! Ich werde natürlich hier davon berichten!

Bis dahin!
Eure Mary ♡



CONVERSATION

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Back
to top